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Das ungesunde Verhältnis der EU zu Afrika. Ein Artikel von German Foreign Policy

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Günther Lanier, Ouagadougou, 30.9.2020

Es steht nicht zum Besten um Afrikas Reichtümer. Daran haben die circa 60 Jahre Unabhängigkeit von den Kolonialmächten leider wenig geändert.

Vorgestern hat die UNCTAD, die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, einen Bericht vorgestellt[1], der die jährlichen unlauteren Finanzabflüsse aus Afrika auf 88,6 Mrd. USD schätzt, das entspricht 3,7% des kontinentalen BIP und ist fast so viel, wie jährlich an Entwicklungshilfe (48 Mrd. USD) und Direktinvestitionen (54 Mrd. USD) in die Gegenrichtung fließen. Oder, anders verglichen: Zwischen der Jahrtausendwende und dem Jahr 2015 sind 836 Mrd. USD “unlauter“ abgeflossen, während sich die Auslandsverschuldung des Kontinents 2018 auf 770 Mrd. USD summierte. Afrika ist somit Nettogläubiger[2] gegenüber dem Rest der Welt.

Der UNCTAD-Bericht aktualisiert Tatsachen und Daten, die ich in einem RadioAfrikaTV-Artikel Anfang 2019 unter dem Titel “Bergauf fließendes Wasser. Afrika subventioniert die Satte Welt“ analysiert habe[3]. Dort ging es auch um das Bemühen der EU um “Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ (EPAs) mit afrikanischen Staaten und Staatenbündnissen.

Das viele Fluchtkapital könnte sehr nützlich sein für eine genuine afrikanische Entwicklung – das gilt nicht erst seit den beträchtlichen negativen Folgen der Corona-Krise in wirtschaftlicher Hinsicht.

Hier bringe ich heute einen Artikel von German Foreign Policy, der ebenfalls vorgestern erschienen ist und einen ausgezeichneten Überblick über das Verhältnis zwischen Afrika und der EU gibt. Für die prompte Erlaubnis zur Wiederveröffentlichung des auf https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8393/ herausgekommenen Artikels gilt German Foreign Policy mein herzlicher Dank!

Wer meine Artikel liest, ist an Verweise auf German Foreign Policy-Artikel gewöhnt. Zwar ist für sie Afrika nur ein Thema unter vielen, doch gibt es kaum bessere Analysen zu Weltpolitik und einer Kriegstreiberei Berlins und Brüssels, die auch Afrika betrifft. Hier die ersten beiden Absätze aus ihrem Editorial: “Die ‘Informationen zur Deutschen Außenpolitik’ (german-foreign-policy.com) werden von einer Gruppe unabhängiger Publizisten und Wissenschaftler zusammengestellt, die das Wiedererstarken deutscher Großmachtbestrebungen auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet kontinuierlich beobachten.
Die deutsche Dominanz in Europa hat sich seit dem Fall des Potsdamer Abkommens (1991) beschleunigt und binnen zweier Jahrzehnte ein hegemoniales Stadium erreicht. Inzwischen gilt die Bundesrepublik Deutschland als anerkannte Führungsmacht der EU und tritt zugleich als Konkurrentin der USA und Russlands auf. Die militärische Aufrüstung wird intensiviert und zielt auch auf ‘Teilhabe’ an atomaren Waffen.“[4]

 [5]

Nochmals herzlichen Dank & hier jetzt der Artikel:

Unbestimmt verschoben. EU-Afrika-Zusammenkünfte abgesagt: EU fällt im Einflusskampf um den afrikanischen Kontinent zurück.

BRÜSSEL (Eigener Bericht von German Foreign Policy, 28.9.2020) – Berlin und die EU fallen im Einflusskampf um Afrika weiter gegenüber China und anderen aufstrebenden Ländern zurück. Ein für heute angesetztes Außenministertreffen der EU sowie der Afrikanischen Union (AU) ist ebenso verschoben worden wie ein für Oktober anberaumter EU-AU-Gipfel, auf dem eine neue “Partnerschaftsagenda” beschlossen werden sollte. Offizieller Grund für die Verschiebung ist die Covid-19-Pandemie, die eine persönliche Zusammenkunft in Brüssel unmöglich macht. Beobachter weisen jedoch darauf hin, dass die AU – bislang eher ungewohnt – darauf besteht, von der EU nicht mehr allein auf eine Rolle als Rohstofflieferant und Absatzmarkt reduziert zu werden. In der EU wiederum ist noch umstritten, wie scharf die Abwehr afrikanischer Migranten realisiert werden soll – eine Debatte, die kaum geeignet ist, in der AU Sympathien zu wecken. Hintergrund für die selbstbewusstere Haltung der afrikanischen Staaten ist, dass China, aber auch andere Länder wie Indien ihre Stellung in Afrika deutlich gestärkt und das westliche Einflussmonopol gebrochen haben.

Freihandel und nette Worte

Die EU hatte schon zu Jahresbeginn angekündigt, ihre Beziehungen zur Afrikanischen Union (AU) mit der Einigung auf eine neue “Partnerschaftsagenda” auf “die nächste Ebene” heben zu wollen.[1] Zuvor hatte sie zuletzt im Jahr 2005 ein eigenes Strategiepapier zur Afrikapolitik und im Jahr 2007 gemeinsam mit der AU eine “Afrika-EU-Strategie” verabschiedet, in denen neben allerlei netten Worten (“Entwicklung”, “Menschenrechte”) vor allem militär- und wirtschaftspolitische Schritte festgehalten wurden.[2] Unter den Stichworten “Frieden und Sicherheit” hieß es, “Europa” werde die Staaten der AU beim Aufbau übergreifender Militärstrukturen unterstützen; Ziel war es, künftig Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent mit Hilfe einheimischer Streitkräfte kontrollieren zu können. Wirtschaftlich fokussierte die EU stark auf die Economic Partnership Agreements (EPA), Freihandelsabkommen, die darauf hinauslaufen, Afrikas Märkte noch umfassender für Waren aus der EU zu öffnen und für die Industrie der Union billigeren Zugriff auf afrikanische Rohstoffe zu ermöglichen. Bislang sind in Afrika lediglich fünf EPAs vorläufig in Gang gesetzt worden: eines mit der Southern African Development Community (SADC), eines mit mehreren Ländern Ost- und Südafrikas sowie jeweils eines mit Kamerun, Côte d’Ivoire und Ghana.[3]

Rohstofflieferant und Absatzmarkt

Zugleich hält die Kritik der afrikanischen Staaten an der Afrikapolitik der EU nicht nur an; sie ist zuletzt sogar lauter geworden. Mehrere AU-Mitglieder beklagen etwa, die EPAs führten dazu, dass ihre eigenen Industrialisierungsbemühungen unter dem Konkurrenzdruck europäischer Konzerne zunichte gemacht würden. Tatsächlich schaden die EPAs darüber hinaus sogar der Agrarwirtschaft Afrikas, die es in manchen Bereichen schwer hat, sich nach dem Abbau von Handelsschranken gegen subventionierte Agrarunternehmen aus Europa zu behaupten. Ein berüchtigtes Beispiel ist, dass beispielsweise in Ghana die einheimische Hühnerfleischproduktion kollabierte, während EU-Unternehmen ihre Exporte in das Land gewaltig steigern konnten – von bereits gut 40.000 Tonnen Geflügelfleisch im Jahr 2010 auf mehr als 135.000 Tonnen im Jahr 2017.[4] Erfolge durch die militärische Kooperation bleiben, wie zur Zeit etwa der immer weiter eskalierende Krieg im Sahel zeigt, gleichfalls aus. Afrikanische Diplomaten lassen sich mit der Beschwerde zitieren, die EU kopple ihre ökonomischen Zusagen an allzu restriktive Bedingungen und gestalte sie außerdem so, dass afrikanische Länder auf ihre Rolle als Rohstofflieferanten festgelegt sowie am Aufbau einer eigenen Industrie gehindert würden.[5]

Aufstrebende Rivalen

Möglich geworden ist der wachsende Widerstand afrikanischer Staaten gegen ihre Ausplünderung durch die EU, weil ihre Abhängigkeit von den westlichen Mächten schrumpft: China, aber auch andere Länder jenseits der transatlantischen Welt haben ihre Beziehungen zu den Ländern Afrikas in den vergangenen Jahren deutlich intensiviert. So ist der Afrikahandel der Volksrepublik von einem Volumen von rund zehn Milliarden US-Dollar im Jahr 2000 auf rund 209 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr in die Höhe geschnellt; damit erreichte er nahezu den vierfachen Wert des US-Handels mit dem Kontinent (2019: 57 Milliarden US-Dollar). Nur zusammengenommen kann die EU noch behaupten, der wichtigste Handelspartner des afrikanischen Kontinents zu sein; dabei stagniert das Handelsvolumen seit 2012 in einer Größenordnung von um die 280 Milliarden Euro (2019: 281,2 Milliarden Euro). Eurostat beziffert den deutschen Afrikahandel auf rund 45 Milliarden Euro (2019) – weniger als den indischen Handel mit dem Kontinent, der von 14,2 Milliarden US-Dollar im Haushaltsjahr 2007/08 auf 62,6 Milliarden US-Dollar im Haushaltsjahr 2017/18 in die Höhe schnellte.[6] Ebenfalls sehr schnell steigt der Afrikahandel der Türkei, der im Jahr 2005 mit 3,5 Milliarden Euro noch fast vernachlässigenswert schien, vergangenes Jahr aber bereits 26 Milliarden US-Dollar erreichte, beinahe die Hälfte des deutschen Warentauschs mit den Ländern Afrikas – bei rasch steigender Tendenz.[7]

Impfstoff für Afrika

Den wachsenden Wirtschaftseinfluss begleitet vor allem China mit allerlei Kooperationsangeboten; nicht wenige davon beziehen sich aktuell auf Fördermaßnahmen im Kontext der Coronakrise. So hat China die Staaten Afrikas schon früh im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie unterstützt. Dabei beschrieben Experten bereits im Mai, die chinesische Hilfe hebe sich in zweierlei Hinsicht positiv von derjenigen der EU ab: Zum einen liefere die Volksrepublik Material, während die EU zumeist nur ohnehin für Afrika vorgesehene Mittel umdeklariere, mit denen die afrikanischen Staaten auf dem erbittert umkämpften Weltmarkt für Schutzausrüstung nur wenige Waren kaufen könnten. Zum anderen habe die chinesische Unterstützung größeres Gewicht, da die Volksrepublik im Kampf gegen die Pandemie recht erfolgreich gewesen sei, was sich von der EU nicht behaupten lasse.[8] Hinzu kommt, dass Beijing inzwischen mehrfach bekräftigt hat, es werde, sobald es über einen Covid-19-Impfstoff verfüge, diesen den afrikanischen Ländern bevorzugt zur Verfügung stellen. Weder die EU noch die USA hätten erkennen lassen, dass sie ihrerseits bereit seien, Afrikas krisengeschüttelten Ländern einen Impfstoff kostenfrei zur Verfügung zu stellen, hieß es kürzlich; die Volksrepublik hebe sich auch diesbezüglich vom alten Westen ab.[9]

Kein Ersatztermin in Sicht

Um auf dem afrikanischen Kontinent nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten, hatte die EU ursprünglich geplant, im Oktober dieses Jahres auf einem großen EU-AU-Gipfel die Einigung auf die erwähnte neue “Partnerschaftsagenda” verkünden zu können. Grundlage sollte ein am 9. März dieses Jahres in Brüssel vorgestelltes Papier sein, dessen Titel (“Towards a comprehensive strategy with Africa”) absichtsvoll die Präposition “with” (“mit”) enthielt: Dies sollte die Abkehr der alten europäischen Kolonialmächte von ihrer traditionell paternalistisch-ausbeutenden Politik hin zu einem vorgeblich partnerschaftlichen Umgang mit den einstigen Kolonien symbolisieren. Auf den Gipfel sollte unter anderem ein für den heutigen Montag geplantes Außenministertreffen der EU und der AU vorbereiten. Diese Zusammenkunft ist, ganz wie der Gipfel selbst, abgesagt worden; zur Begründung wird offiziell auf die Covid-19-Pandemie verwiesen, die ein persönliches Treffen in Brüssel verhindere. Tatsächlich stehen einer Einigung gemäß den Wünschen der EU mehrere Forderungen der AU-Staaten entgegen, darunter diejenige, die EU solle Investitionen in Afrikas Infrastruktur und Industrie fördern, damit der Kontinent endlich das Spektrum seiner Exportwaren ausdehnen könne – weg von der alleinigen Ausfuhr von Rohstoffen und Nahrungsmitteln hin zu einem gewissen Maß an Industrieexporten. Während sich die AU-Staaten darüber hinaus stärkere Unterstützung im Kampf gegen die Pandemie wünschen, streiten die EU-Länder untereinander – offenbar nicht bereit, auf die Forderungen der AU einzugehen – nicht zuletzt darum, wie aggressiv sie afrikanische Migranten abwehren wollen.[10] Ein Ersatztermin für den EU-AU-Gipfel ist bislang noch nicht in Sicht.

[1] EU paves the way for a stronger, more ambitious partnership with Africa. ec.europa.eu 09.03.2020.
[2] The EU and Africa: towards a strategic partnership. Brussels, 19 December 2005. A Joint Africa-EU Strategy. ec.europa.eu 15.07.2007. The Africa-EU Strategic Partnership. A Joint Africa-EU Strategy. Lisbon, 9 December 2007.
[3] Frederik Stender, Axel Berger, Clara Brandi, Jakob Schwab: The Trade Effects of the Economic Partnership Agreements between the European Union and the African, Caribbean and Pacific Group of States: Early Empirical Insights from Panel Data.
German Development Institute Discussion Paper 7/2020.
[4] S. dazu
Wie man Fluchtursachen schafft.
[5] Benjamin Fox: EU unveils ‘partnership plans’ for new Africa strategy. euractiv.com 09.03.2020.
[6] Christian Kurzydlowski: What Can India Offer Africa? thediplomat.com 27.06.2020.
[7] “We will increase our trade volume with African countries to $50 billion”. tccb.gov.tr 26.01.2020.
[8] Lidet Tadesse: Testing the relationship: China’s ‘Corona diplomacy’ in Africa. ecdpm.org 11.05.2020.
[9] Eric Olander: China: Africa to have priority access to COVID-19 vaccine. theafricareport.com 08.09.2020.
[10] Benjamin Fox: Pandemic has derailed EU-Africa strategy, concedes Borrell. euractiv.com 22.09.2020.

 [6]

Endnoten:

[1] UNCTAD, Tackling Illicit Financial Flows for Sustainable Development in Africa, New York (Vereinte Nationen) 2020, herunterladbar auf https://unctad.org/en/pages/PublicationWebflyer.aspx?publicationid=2857.

[2] Dem Artikel habe ich ein Foto der 500 Francs CFA-Note vorangestellt, des überwiegend im frankophonen Westafrika gültigen Zahlungsmittels, dieser ist an den Euro gebunden (1 Euro = 655,957 F Cfa), die 500 F Cfa entsprechen 0,76 Euro. Foto Kingsubash11, 24.12.2019, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wast_African_CFA_franc_500_wf.jpg.

[3] Auch veröffentlicht als Kap.2 in Günther Lanier, Afrika. Exkursionen an den Rändern des Weltsystems, Linz (guernica Verlag) 2019. Für den Artikel siehe Günther Lanier, Bergauf fließendes Wasser. Afrika subventioniert die Satte Welt, Radio Afrika TV 16.1.2019, http://alexisnshimyimanan5.sg-host.com/2019/01/17/bergauf-fliesendes-wasser/. Siehe ebendort zum Unterschied zwischen “Kapitalflucht“ und “unlauteren Finanzflüssen/illicit financial flows“.

[4] Aus: https://www.german-foreign-policy.com/info/editorial/.

[5] 2.000 Francs CFA-Note, überwiegend im frankophonen Westafrika gültiges Zahlungsmittel, entspricht 3,05 Euro, Foto Kingsubash11, 24.12.2019, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wast_African_CFA_franc_2000_wf.jpg.

[6] 10.000 Francs CFA-Note, überwiegend im frankophonen Westafrika gültiges Zahlungsmittel, entspricht 15,24 Euro, Foto Kingsubash11, 24.12.2019, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wast_African_CFA_franc_10000_wf.jpg.

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