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Künstlerische Dialoge über das Erbe von Kolonialismus im Weltmuseum

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Re:Present Unlearning Racism – bereits der Name der Sonderausstellung im Weltmuseum in Wien hat es in sich. Schließlich haben ethnologische Museen selbst maßgeblich zur Konstruktion der sogenannten ‚Anderen‘ und der Reproduktion von Rassismen beigetragen. Ausgerechnet hier sollen diese verlernt werden?

Das Calle Libre Street-Art-Festival möchte gemeinsam mit dem Weltmuseum durch die Ausstellung einen offenen Dialog über das kulturelle Erbe von Kolonialismus anstoßen. Viel zu lange seien durch Museen verzerrte Darstellungen von Kulturen und Identitäten weitergetragen worden. Re:Present setzt sich daher mit Themengebieten wie Stereotypen, Fremddarstellungen und Xenophobie künstlerisch auseinander.

Dass Repräsentationen Kern des Projektes bilden, verheißt bereits der Titel. Wer repräsentiert eigentlich wen? Das Projekt gibt Menschen mit Diskriminierungserfahrungen Raum, um sich selbst zu verkörpern und der eigenen Realität Ausdruck zu verleihen. Die beteiligten Künstler*innen und Aktivist*innen wurden ermutigt, ihre eigenen Perspektiven und Erfahrungen in die Kunstwerke einfließen zu lassen und Kritik zu üben.

Gewiss kann die Ausstellung auch als eine verspätete Reaktion auf die Black-Lives-Matter-Proteste seitens des Weltmuseums gesehen werden. Spätestens nachdem im vergangenen Jahr über 100.000 Menschen allein in Österreich auf die Straßen gingen und lautstark gegen institutionellen Rassismus und weiße1 Hegemonie protestierten, müsste auch den Letzten klar geworden sein, dass es an der Zeit ist, das Museum als Institution zu dekolonialisieren.

Am vergangenen Sonntag haben wir uns selbst ein Bild vom künstlerischen Diskurs der Ausstellung gemacht.

Zeitleiste Schwarzer Geschichte in Österreich

Nachdem man durch die prachtvolle Säulenhalle des Museums in die Ausstellungsräume schreitet, fällt das Auge sofort auf die tiefgründigen Illustrationen des Künstlers Rossel Chaslie. Er fokussiert sich in seinen Arbeiten auf Themen wie Rassismus, Black History und die Diaspora. Chaslie und die Historikerin Vanessa Spanbauer wurden von der Kuratorin Tonica Hunter gezielt zusammengebracht. Entstanden ist das Projekt ‚Allow us to reintroduce ourselves‘ – eine Zeitleiste Schwarzer2 Geschichte in Österreich. Diese Geschichte beinhalte laut der Kuratorin einerseits Härte, Trauma und Widerstand gegen die weiße Hegemonie. Andererseits müssten aber auch Geschichten von Sieg, Ermächtigung und Freude dargestellt werden. Die Kunstwerke von Rossel Chaslie illustrieren beides, beziehungsweise so viel davon, wie in den vier Wänden untergebracht werden könne, sagt Hunter im Audiokommentar.

‚Allow us to reintroduce ourselves’ ©Theresa Mertens

Von Angelo Soliman bis Black-Lives-Matter

Das erste Kunstwerk von ‚Allow us to reintroduce ourselves‘ zeigt Angelo Soliman. Soliman erlangte als Sklave und Kammerdiener in der Bourgeoisie Wiens des 18. Jahrhundert großes Ansehen. Solimans Tochter Josephine kämpfte dafür, dass ihr Vater ein gebührendes Begräbnis erhalte, nachdem man ihn nach seinem Tod ausstopfte und im Kaiserlichen Naturalienkabinett ausstellte.  

Eine weitere Illustration der Zeitleiste verdeutlicht ein besonders dunkles Kapitel der Schwarzen Geschichte in Österreich: die sogenannten Menschenschauen. Das Kunstwerk zeigt ein ‚Ashantidorf‘, welches 1896/97 in Wien im Rahmen der Völkerschauen nachgebaut wurde. Hierzu wurden mehr als 100 Menschen, besonders aus Westafrika, eingezäunt und vorgeführt.

Chaslies Visualisierungen zeigen zudem die Geschichte Schwarzer Menschen während des Nationalsozialismus und die der GI-Kinder – also Kinder zwischen Österreicherinnen und Schwarzen Besatzungssoldaten. Weitere Illustrationen erinnern an die Morde von Marcus Omofuma 1999 und Seibane Wague 2003, die zu einer verstärkten Politisierung der afrikanischen Communities in Wien geführt hatten. Mit den Black-Lives-Matter-Protesten bildet die Zeitleiste schließlich die Gegenwart ab und endet nicht – sondern verweist auf Projekte und Initiativen, um immer neue Geschichtsschreibung in den nächsten Jahren vorzunehmen.

Neben ‚Allow to reintroduce ourselves‘ werden im Hauptraum der Sonderausstellung auch Fotografien von Ricardo Hackl, Angelo Kreuzberger und Samira Saidi gezeigt, welche die Black-Lives-Matter Bewegung und damit entstandene Facetten von Empowerment, Solidarität und Repräsentanz hervorheben.

Stereotype gegenüber Schwarzen Männern künstlerisch dekonstruiert

Auch die Serie ‚They don’t care about us‘ von Mahir Jahmal sticht heraus. Der Künstler porträtiert mit seinen Fotografien festgehaltene Stereotype gegenüber Schwarzen Männern in einer weißen Mehrheitsgesellschaft. Jahmal dekonstruiert und zerstört diese Vorurteile physisch, indem er das Fotopapier seiner Kunstwerke in der Dunkelkammer zerknüllt und zerreißt.

‘They don’t care about us’ von Mahir Jahmal ©Theresa Mertens

Exhibition of Identity & Carnaval

Im nächsten Raum beeindruckt die ‚Exhibition of Identity‘ der Wiener Fashion-Bewegung Kids of the Diaspora. Die Installation der Gründerinnen des Labels, Cherrie O. und Leni Charles, umfasst eigene Modeartikel, Fotografien sowie Kurzgeschichten, Gedichte und geführte Meditationen. Im Kern der ‚Exhibition of Identity‘ stehe der Prozess der Heilung für all diejenigen, die ihre Identität aufgrund von Marginalisierungen neu definieren müssten. Die Multi-Media-Installation lädt Besucher*innen dazu ein, zuzuhören, zu lernen und zu fühlen.

Ju Mu Monsters bunte Kunstwerke ‚Carnaval‘ könnten kaum einen größeren Kontrast zu der Installation von Kids of the Diaspora bilden und doch ergänzen sie den Raum. Die Künstlerin mit peruanisch-chilenischen Wurzeln wurde bei ihrem Schaffen stark von der gestalterischen Kraft indigener Gemeinschaften geprägt. So gaben das Yawar-Festival in Peru sowie Tänze des Karnevals in Mexiko ausschlaggebende Einflüsse für die dargebotenen Malereien und Kostüme.

‚Carnaval‘ von Ju Mu Monster ©Theresa Mertens

Afrikaner*innen hindern Risse der Gesellschaft am Ausbreiten

Im dritten Raum der Ausstellung fällt besonders das Kunstwerk ‚Broken‘ von WiseTwo ins Auge. Auf die Wand gemalt und getrennt durch die Türe – die in den nächsten Raum führt – bildet das Werk aus Mineralfarben die Schönheit der Welt ab, auch wenn diese Risse hat. Afrikaner*innen seien diejenigen, die die Risse am Ausbreiten hinderten. Sie würden dazu beitragen, dass alle anderen Rassismus, Spaltung und Diskriminierung verlernen würden, sagt der Künstler selbst über ‚Broken‘.

Passend zur Botschaft von WiseTwo ist in der Mitte des Raumes ein dreieckiger Aufsteller angebracht, der Besucher*innen fragt: „Was mache ich gegen meine eigenen Rassismen?“ oder „Wie sähe für mich eine Welt ohne Rassismus aus?“. Wer mag, kann nun seine persönliche Antwort auf einen Zettel schreiben und diesen aufhängen.

Aufsteller & ‘Broken’ im Hintergrund ©Theresa Mertens

Rassismen verlernen?

Unlearning Racism? Nun, Rassismen zu verlernen ist ein lebenslanger Prozess. Die Ausstellung Re:Present bietet jedoch wichtige Impulse, um mehr über die Geschichte Schwarzer Menschen in Österreich zu lernen, eigene Stereotype zu dekonstruieren und Denkanstöße für eine anti-rassistische Zukunft zu erhalten. Insbesondere die Installation von Kids of the Diaspora lädt alle marginalisierten Menschen dazu ein, Teil eines Kollektivs zu werden und gemeinsam zu heilen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich das Weltmuseum an der Ausstellung ein Exempel nimmt und in Zukunft mehr Raum für Aktivist*innen und Künstler*innen schafft, die sich kritisch (vielleicht noch kritischer) mit der kolonialen Vergangenheit des Museums auseinandersetzen. Nach dem Motto Unlearning Racism gibt es auch für das Weltmuseum noch allerhand zu tun.

Die Inhalte dieses Artikels wurden der Führung im Weltmuseum, dem Begleitheft zur Ausstellung und der Website entnommen.


1 weiß wird klein und kursiv geschrieben, um hervorzuheben, dass es sich um eine Konstruktion und Privilegien handelt, nicht um eine tatsächliche Hautfarbe.

2 Schwarz wird großgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um ein konstruiertes Zuordnungsmuster handelt, nicht biologische Eigenschaften.

Titelbild: Installation von Kids of the Diaspora ©Theresa Mertens

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