Günther Lanier, Ouagadougou, 19.5.2021
Es ist in letzter Zeit ein bisschen still geworden rund um mein heutiges Thema[1]. Mich hat ein kleiner Artikel aus unerwartetem Eck neulich aufmerksam gemacht, auch wenn er das Wort Landraub[2] nicht explizit erwähnt[3]. Die Austrian Development Agency (ADA, Österreichs staatliche Entwicklungsagentur) unterstützt nämlich das Institute for Poverty, Land and Agrarian Studies (PLAAS)[4] und dem geht es darum, das Recht von KleinlandbesitzerInnen auf Grund und Boden zu wahren. Es wird also eindeutig gegen Landraub Stellung bezogen. Überraschend, denn die politische Ausrichtung der ADA und zumindest des entscheidenden Teils der österreichischen Regierung hätte mich erwarten lassen, sie eher aufseiten der RäuberInnen als aufseiten ihrer Opfer zu finden.
Österreichs großer Bruder hingegen verhält sich meinen Erwartungen entsprechend: “Die deutsche Entwicklungshilfe fördert Land Grabbing in Entwicklungsländern und nimmt faktisch die Vertreibung von Kleinbauern in Kauf“ titelte German Foreign Policy am 12.5.2021[5] und bringt insbesondere Beispiele aus Sambia und Sierra Leone. Vom Fördern von Agrarreformen und der Umverteilung von Land an arme BäuerInnen sei die deutsche Entwicklungszusammenarbeit gründlich abgekommen. Weltweit habe die Ungleichheit bei der Verteilung landwirtschaftlicher Flächen einen Höchststand erreicht: “Demnach kontrollieren Agrarkonzerne und Unternehmen, die das reichste Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe bilden, inzwischen 70 Prozent der globalen Ackerfläche. Den 2,5 Milliarden Kleinbauern, die rund ein Drittel der Weltbevölkerung bilden, stehen hingegen nur noch drei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche zur Verfügung“[6].
Die Terminologie ist unklar: Während Land“raub“ klarzumachen scheint, dass es sich um illegale oder zumindest unmoralische Aktivitäten handelt, kommt das auch im Deutschen häufig verwendete “land grabbing“ auch für legalen Erwerb von großen Landflächen zum Einsatz. Dabei kann es sich um Kauf oder Leasing handeln und die InvestorInnen können aus dem In- oder Ausland kommen, es kann sich um Regierungen, Unternehmen oder Individuen handeln.
‘Brot für die Welt’ schreibt auf seiner Webseite: “Laut der internationalen Land-Matrix-Initiative sind mittlerweile offiziell mehr als 62 Millionen Hektar fruchtbare Ackerfläche weltweit an Investoren vergeben oder in Aussicht gestellt. Dies entspricht fast der Hälfte des Ackerlandes in der Europäischen Union. Die Dunkelziffer der verdeckten Landdeals ist jedoch hoch, sodass sich vermutlich noch Millionen Hektar mehr in Investorenhand befinden.“[7]
Um die soeben erwähnte Land-Matrix-Initiative kommt eineR beim Thema Landraub nicht herum, sowohl der kleine ADA-Artikel als auch German Foreign Policy erwähnen diesen internationalen Versuch, die Datenlage zum Erwerb großer Landflächen unter wissenschaftliche Kontrolle zu bekommen. Doch ‘Brot für die Welt’ spricht fast im selben Atemzug von der Dunkelziffer. Und Geman Foreign Policy weist nachdrücklich darauf hin, dass in dieser Datenbank viele undokumentierten Fälle von Landraub nicht erfasst sind.
Weiterlesen auf https://www.africalibre.net/lang/deutsch/startseite.php
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Endnoten:
[1] Ich habe im November 2018 einen Artikel über erfolgreichen Widerstand gegen ein großes Landraub-Projekt geschrieben: Günther Lanier, Mosambik leistet wieder Widerstand. BäuerInnen gegen Landraub, Radio Afrika TV 21.11.2018, http://alexisnshimyimanan5.sg-host.com/2018/11/21/mosambik-leistet-wieder-widerstand/.
[2] Die Karte am Artikelanfang ist eine Heatmap/Verteilungskarte, die zeigt, wo sich ausländischer großer Landerwerb (>200 ha) konzentriert. Kerstin Nolte, Wytske Chamberlain, Markus Giger, International Land Deals for Agriculture. Fresh insights from the Land Matrix: Analytical Report II, Bern, Montpellier, Hamburg, Pretoria: Centre for Development and Environment, University of Bern; Centre de coopération internationale en recherche agronomique pour le développement; German Institute of Global and Area Studies; University of Pretoria; Bern Open Publishing 2016, p.17; auf Englisch od. Französisch herunterladbar unter https://landmatrix.org/resources/international-land-deals-agriculture-fresh-insights-land-matrix-analytical-report-ii/.
[3] Austrian Development Agency (ADA), Wie das Geschäft um Afrikas Boden Existenzen bedroht, ohne Datum (ich habe am 5.5.2021 zugegriffen), https://www.entwicklung.at/ada/aktuelles/detail/wie-das-geschaeft-um-afrikas-boden-existenzen-bedroht.
[4] Institut für Armuts-, Land- und Agrarforschung. Der Sitz befindet sich in Belleville, Cape Town, Südafrika. Siehe https://www.plaas.org.za/.
[5] Genau genommen ist das der Untertitel. Die Kleinbäuerinnen sind leider nur mitgemeint. Der Titel lautet “Entwicklungshilfe beim Landraub“. Siehe https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8596/.
[6] Ebd. Abermals sind die Kleinbäuerinnen leider nicht erwähnt, sondern nur mitgemeint.
[7] Die Investorinnen sind zweifellos mitgemeint. Aus der Einleitung zu “Fluchtursache Landraub. Was tun, wenn das Land knapp ist?“, siehe https://www.brot-fuer-die-welt.de/themen/fluchtursachen/fluchtursache-landraub/.